Opinion/Kein Staat hat ein 'Existenzrecht' — Israel ist keine Ausnahme!
Israel existiert! Dies zu leugnen, zeugt von Realitätsverweigerung, denn diese Tatsache kann unschwer durch einen aktuellen Atlas beziehungsweise durch das Nachschlagen im Internet festgestellt werden.
“Keine Bestimmung des Völkerrechts garantiert jedoch das “Existenzrecht” eines Staates. Staatlichkeit ist eine politische Realität, keine rechtliche.” — Moncef Khane, ehemaliger UN Beamter 1
Knapp zwei Wochen nach dem 7. Oktober 2023, als das “VN-Büro für humantiäre Hilfe (UNOCHA) mehr als 3.000 Todesopfer und 12.500 Verletzte” in Gaza durch die beispiellose Vergeltungskampagne des israelischen Militärs berichtete 2 — ein Umstand der im österreichischen Parlament diskutiert und somit hinreichend bekannt war — unterfertigten and präsentierten Abgeordnete im Parlament einen Entschliessungsantrag der Österreichs “uneingeschränkte Solidarität an der Seite Israels” proklamierte und darüber hinaus forderte dass:
“Das Existenzrecht Israels […] nicht in Frage gestellt werden [darf].”

Auszug aus dem Parlamentarischen Entschliessungsantrag 3666/A(E) vom 19.10.2023 (XXVII.GP)
In diesem Entschließungsantrag wird Bezug auf das “Existenzrecht” Israels genommen, ohne einen Hinweis oder eine Referenz auf ein rechtliches Regelwerk (z.B. einen gesetzlichen Paragrafen) anzugeben. Es ist unprofessionell Anträge einzubringen, die sich auf ein Recht berufen, ohne dieses durch Referenzen zu untermauern und zeugt von mangelnder Sorgfalt in der Recherche, da mitunter Anträge wie dieser beschlossen werden, deren argumentativer Unterbau inkohärent oder, wie in Fall des “Existenzrechts Israels”, rechtlich unbegründet ist. Da aber “den Entschließungen des Nationalrats [nur] politische Bedeutung [zukommt]” und keine “rechtliche Verpflichtung zur Umsetzung besteht”, stellen solche Anträge lediglich “Empfehlungen dar[, die] zu einer Kontrolle oder Korrektur des Regierungskurses beitragen” können. Bei Missachtung einer Entschließung der Regierung, ist die einzige potentielle Konsequenz dass “der Nationalrat […] dies durch ein Misstrauensvotum [ahnden kann].” 3
Anders als Entschließungsanträge im Parlament sind jedoch offizielle behördliche Dokumente des Verwaltungsgerichts zu werten; das Verwaltungsgericht Wien liefert hierzu ein eindrückliches Beispiel. In einem Schreiben vom 07.04.2025 bezugnehmend auf die Beschwerde des Anmelders einer Kundgebung gegen den Bescheid der Landespolizeidirektion Wien, mit dem die am 30.10.2023 angezeigte Versammlung „Mahnwache: Die Stimme der Palästinenserinnen und Palästinenser hören - wenn sie uns nicht sprechen lassen, dann müssen uns unsere Schuhe vertreten" untersagt wurde, hat das Verwaltungsgericht diese Untersagung im Sinne der Landespolizeidirektion Wien als zu Recht anerkannt und somit die Beschwerde des Veranstalters abgewiesen. Dieser hat eine Mahnwache angemeldet, bei der es am Wiener Heldenplatz zur Aufstellung von Schuhen kommen sollte, um zumindest einen stillen Protest gegen die unsäglichen Gräuel und Massaker, die Israel in Gaza als Rache an der Zivilbevölkerung verübt, zum Ausdruck zu bringen. Die Mahnwache war so konzipiert, dass sie im Einklang mit den Gesinnungsauflagen und Sprachverboten der Behörde stand, um einer Untersagung entgegenzuwirken.
Unter anderem wurde die Absage der gegenständlichen Veranstaltung vom Verwaltungsgericht mit der Unterstellung legitimiert, dass “eine ausreichende Menge [der Teilnehmer den] Spruch «From the river to the sea, Palestine will be free» in seiner negativen Form (seitens der „Dokumentationsstelle Politischer Islam” in dieser Form bestätigt), also der Leugnung des Existenzrechts Israels versteht:"

Argumentation des Verwaltungsgerichts Wien im Namen der Republik am 07.04.2025
Das faszinierende an dieser Begründung, die sich auf das Existenzrecht Israels beruft, ist, dass im Unterschied zu allen anderen zugrunde gelegten Argumenten, eben dieses Existenzrecht eines fremden Staates durch keinen Verweis auf ein zugrundeliegendes rechtliches Regelwerk belegt ist (z.B. Art. 1 EMRK, § 6 Abs. 1 VersG, Art. 133 Abs. 4 B-VG). Da hier Bezug auf ein Recht eines fremden Staates genommen wird, ist die Annahme, dass das kolportierte “Existenzrecht” Israels im internationalen Recht (Völkerrecht) verankert ist, berechtigt.
Im internationalen Recht ist das Existenzrecht von Staaten jedoch nicht verankert, da Staatlichkeit keine rechtliche Realität ist, sondern eine politische. 1 Auch die UN-Sonderberichterstatterin Francesca Albanese wies eindrücklich auf diesen non sequitur (lat. für „es folgt nicht“, Fehlschluss innerhalb der Argumentation) in ihrer Replik auf die Frage ob „Israel ein Existenzrecht hat“ hin:
“Israel existiert […] ein Existenzrecht eines Staates gibt es im internationalen Recht (Völkerrecht) nicht. Was im internationalen Recht verankert ist, ist das Existenzrecht eines Volkes. Der Staat Israel existiert; er ist als Mitglied der Vereinten Nationen geschützt.” 4
Da hiermit erwiesen ist, dass ein juristisches Regelwerk für das Existenzrecht eines Staates auf internationaler Ebene (Völkerrecht) abwesend ist, gibt es immer noch die Möglichkeit einer österreichischen Ausnahmeregelung, die einer schlüssigen und fundierten juristischen Argumentation zugrunde gelegt werden kann. Um insbesondere dem kolportierten “Existenzrecht Israels” auf den Grund zu gehen, wird der kürzlich zitierte “Umsetzungsbericht 2023/2024 mit der Gesamtevaluierung der nationalen Strategie gegen Antisemitismus”, der sich auf das ‘Recht auf Existenz’ Israels bezieht, herangezogen:

Umsetzungsbericht 2023/2024 mit der Gesamtevaluierung der nationalen Strategie gegen Antisemitismus bezieht sich auf das ‘Recht auf Existenz’ Israels
Um dieser weitschweifigen Referenz nachzugehen, ist das gegenständliche Dokument des Umsetzungsberichtes, nämlich die “Nationale Strategie Gegen Antisemitismus (NAS)”, nicht zielführend, da es das “Existenzrecht” Israels nicht behandelt:

Nationale Strategie Gegen Antisemitismus (NAS) behandelt das ‘Existenzrecht’ Israels nicht
Das Wort “Existenz” wird in der “Nationalen Strategie Gegen Antisemitismus (NAS)” lediglich im Zusammenhang mit der Leugnung der “Existenz” von NS-Gräueltaten verwendet und kommt ausschliesslich im folgenden Abschnitt vor:

Nationale Strategie Gegen Antisemitismus (NAS) erwähnt die Leugnung der ‘Existenz’ NS-Gräueltaten
Nachdem das “Existenzrecht” Israels nicht in der “Nationalen Strategie Gegen Antisemitismus” verankert ist, dient die mit einem Beschluss des Ministerrates im April 2017 angenommene International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) Arbeitsdefinition von Antisemitismus als nächste potentielle Quelle auf der Hand.

Punkt 15 des Ministerratsbeschlusses der 2017 die International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) Arbeitsdefinition von Antisemitismus
Diese Definition von Antisemitismus bietet laut dem Bundeskanzleramt “eine gute Orientierung darüber, wie sich Antisemitismus konkret manifestieren kann”:
“Antisemitismus ist eine bestimmte Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort oder Tat gegen jüdische oder nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.”
Antisemitismus kann sich demnach auch gegen nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum wenden. 5

International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) Arbeitsdefinition von Antisemitismus auf bundeskanzleramt.gv.at
Man kann nur hoffen, dass Kritik an israelischen Siedlern die sich geschützt durch die israelische Armee, 6 unter Verstoß gegen das Völkerrecht, Land und Gut angeeignet haben und dies nun ihr “Eigentum” nennen, nicht als Antisemitismus interpretiert wird. Diese Interpretation wäre nämlich im Einklang mit der IHRA-Arbeitsdefinition, ein Umstand der durchaus besorgniserregend ist und Kritik 7 and der IHRA zumindest nachvollziehbar macht:
“Aus israelischer Perspektive besteht die Funktion der IHRA-Definition darin, Israel vor Kritik abzuschirmen. […] Die IHRA-Definition ist Israels diplomatischer »Iron Dome«. Israel und seine Unterstützer haben enorme Schwierigkeiten, ihre Politik gegen die Palästinenser zu… pic.twitter.com/ncz7kXlOKu
— 1g0r.B0hm (@1g0rB0hm) May 19, 2025
Darüber hinaus wird erläutert, dass sich Antisemitismus auch gegen den Staat Israel richten kann, wobei “Israel als jüdisches Kollektiv zu verstehen ist”. 5 Abgesehen vom non sequitur der Jüdinnen und Juden als Kollektiv dem Staat Israel zuordnet, ist sehr bedenklich wie wenig Spielraum für Kritik an Israel somit noch bleibt, ohne in den Dunstkreis des “Israelbezogenen Antisemitismus” zu geraten. Dieser Umstand scheint der Bundesregierung bewusst zu sein, weshalb erwähnt wird, dass “Kritik an Israel […] nicht antisemitisch [ist], wenn sie mit der an anderen Staaten vergleichbar ist”. 5 An diesem Punkt wird auf den 3-D-Test verwiesen, der laut Bundesregierung geeignet ist um “Israelbezogenen Antisemitismus” einzuordnen: “Wird Israel Dämonisiert, Delegitimiert oder mit Doppelten Standards betrachtet?” Insbesondere das dritte D, das für Delegitimierung steht, ist mit Bezug auf unsere Fragestellung des “Existenzrechts” Israels relevant, denn Israel wird laut Bundesregierung genau dann delegitimiert, “wenn Israel sein Existenzrecht abgesprochen wird”.

Der 3-D-Test soll laut Bundesregierung dazu geeignet ‘Israelbezogenen Antisemitismus’ einzuordnen
Wiederum wird das “Existenzrecht” Israels erwähnt, ohne anzugeben, wo dieses Recht verankert, begründet, beziehungsweise definiert ist. Als nächste Quelle die unter Umständen einen solchen Verweis beinhalten könnte, ist eine im Auftrag des österreichischen Parlaments publizierte Studie, die seit 2018 alle zwei Jahre eine “repräsentative empirische Datenerhebung zum Thema Antisemitismus in Österreich [durchführt]”. 8 Diese Studie referenziert in Punkt “2.2.6 Israelbezogener Antisemitismus” jedoch ebenfalls lediglich den 3-D-Test der wiederum das “Existenzrecht” Israels betont, ohne eine Referenz beziehungsweise Definition zu nennen:

Israelbezogener Antisemitismus Abschnitt einer Datenerhebung zum Thema Antisemitismus in Österreich auf parlament.gv.at
“Zur Vertiefung” 8 des Themenkomplexes “israelbezogener Antisemitismus” wird unter anderem das 27 Seiten lange Dokument mit dem Titel “Antizionismus – Antisemitismus im Schafspelz?”, 9 das im Auftrag des Präsidenten des Nationalrates 2019 erstellt worden ist und als Richtlinie, um israelbezogenen Antisemitismus einzuordnen, angepriesen. In diesem Werk werden Beispiele von Aussagen, “die Monika Schwarz-Friesel und Jehuda Reinharz in 14.000 von ihnen analysierten E-Mails und Briefen an den Zentralrat der Juden und die israelische Botschaf in Deutschland gesammelt haben” 9 und als “antisemitsch” klassifizieren, aufgelistet.
Als antisemitisch sind laut Autor […] Aussagen, wie zum Beispiel folgende zu bewerten:
„Wir sind empört über die aggressive Politik Israels. Dieser Staat ist eine große Gefahr für den Weltfrieden.“

Laut dem Dokument ‘Antizionismus – Antisemitismus im Schafspelz’ ist es «‘Antisemitisch’ ist es Israel als eine große Gefahr für den Weltfrieden zu bezeichnen» — António Guterres bezeichnet die Israel-Palästina-Krise als «Bedrohung für den internationalen Frieden».
Wenn solche Beispiele konsequent als Muster zur Beurteilung von Antisemitismus angewendet werden, ist António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, mit seiner Forderung an den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen “angesichts der Israel-Palästina-Krise als Bedrohung für den internationalen Frieden und die Sicherheit zu handeln” und “darauf zu drängen, eine humanitäre Katastrophe in Gaza abzuwenden”, 10 ebenfalls als antisemitisch zu werten; eine Schlussfolgerung, die zwar mit dem Beispiel Freytags im Einklang steht, aber durch keinerlei rationale Argumentation untermauert werden kann und daher schlichtweg lächerlich ist, vom israelischen Aussenminister Israel Katz jedoch trotzdem kolportiert wird. 11
Die folgenden Aussagen stehen ebenfalls im krassen Gegensatz zur Realität:
„Sie müssen sich schämen, einem Terroristenstaat anzugehören, der seine Gegner und Unschuldige mit Raketenangriffen liquidiert.“
„Hier ist die Rede von einem brutalen, rassistischen Apartheid-Staat.“

Laut dem Dokument ‘Antizionismus – Antisemitismus im Schafspelz’ ist es «‘Antisemitisch’ Israel als terroristischen Apartheid-Staat zu bezeichnen» — die Israelische Zeitung Haaretz bezeichnet Israel als ein «Apartheid-Regime» dessen Vorgehen «Staatsterror» entspricht.
Israel als “Terrorstaat” oder gar als “rassistischen Apartheid-Staat” zu bezeichnen ist laut Studienautor antisemitisch und das obwohl sogar israelische Zeitung Israels vorgehen als Staatsterror 12 bezeichnet und schon Jahre vor dem 7. Oktober 2023 schrieben, “dass es an der Zeit [ist] anzuerkennen das Israel ein Apartheid-Regime ist,” 13 ganz zu schweigen von Menschenrechtsorgnisationen wie Amnesty International, Human Rights Watch, 14 B’Tselem (israelische Informationszentrum für Menschenrechte in den besetzten Gebieten) und vielen anderen sowie den Vereinten Nationen, die diesen Umstand schon seit Jahren anprangern.
Wie im vorangegangenen Dokument wird das “Existenzrecht” Israels, dessen rechtliche Legitimation als Impetus dieser Analyse zugrunde liegt, erneut nur im Zusammenhang mit dem 3-D-Test wie folgt erwähnt:
„Der Test auf Delegitimierung hinterfragt, ob Kritik an Israel diesem das “Existenzrecht” abspricht. […] Wo freilich Israel sein Existenzrecht oder sein Recht zur Selbstverteidigung abgesprochen wird, hat Kritik «an Israel» die Grenzen in Richtung Antisemitismus zweifelsohne überschritten.“
Abermals wird das “Existenzrecht” Israels als gegeben Angenommen und Verweise auf ein juristisch anerkanntes Rahmenwerk dass eben dieses Recht definiert tunlichst vermieden. Um diese Annahme zu untermauern und zu verstehen wie so ein offensichtlicher Missstand vom Autor unerkannt bleiben kann, sind folgende zwei Zitate die als ideologischer Unterbau und somit als Praeludium in Freytags Analyse 9 fungieren relevant:

Laut dem Dokument ‘Antizionismus – Antisemitismus im Schafspelz’ — Einleitende Zitate von Theodor Herzl und Hans Mayer.
„Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. (…) Wir sind also vergebens überall brave Patrioten, wie es die Hugenotten waren, die man zu wandern zwang. Wenn man uns in Ruhe ließe … Aber ich glaube, man wird uns nicht in Ruhe lassen.“ — Theodor Herzl
Das erste Zitat von Theodor Herzl zeugt von einer Selbsterkenntnis die indirekt, nichts destotrotz deutlich, dokumentiert, dass sogar ihm bewusst war, dass das Narrativ des “wandernden braven Patrioten,” der verzweifelt versucht das heilige Land zurückzuerobern, unweigerlich zur Folge hat, diejenigen die sich ihre Lebensunterlage in der Region aufgebaut haben “nicht in Ruhe zu lassen”. Mit anderen Worten waren ihm die Folgen eines brutalen Siedlerkolonialismus 15 ersichtlich, weswegen er folgerichtig seine Befürchtung, dass die ursprünglichen Bewohner dieser Region ihre Vertreibung nicht “in Ruhe [über sich ergehen] lassen” und den Siedlern mitsamt ihren Nachkommen Widerstand leisten werden, offenbart.
„Wer den «Zionismus» angreift, aber beileibe nichts gegen die «Juden» sagen möchte, macht sich oder andern etwas vor. Der Staat Israel ist ein Judenstaat. Wer ihn zerstören möchte, erklärtermaßen oder durch eine Politik, die nichts anderes bewirken kann als solche Vernichtung, betreibt den Judenhass von einst und von jeher.“ — Hans Mayer
Das zweite Zitat von Hans Mayer vollzieht mit polemischem Nachdruck die Gleichsetzung von „Zionismus“ und dem „Judentum“ und proklamiert als Konsequenz daraus den “Staat Israel [zum] Judenstaat.” Abgesehen davon dass viele Juden die Gleichsetzung ihrer Religion mit der zionistischen Ideologie ablehnen, ist die von Mayer herbeigesehnte Verschmelzung des „Zionismus“ mit dem „Judentum“ nicht nur inkohärent, sondern auch ein Ausgang der in anderen Ausprägungen vehement abgelehnt und als lächerlich denunziert wird. Niemand würde zum Beispiel auf die Idee kommen ernsthaft zu behaupten die Ideologie des „Kapitalismus“ mit dem „Christentum“, oder den „Merkantilismus“ mit dem „Islam“, gleichzusetzen. Beide Zitate, die Aurelius Freytag als Einleitung zu seinem Werk anführt, setzen als unumstößliche Grundannahme das “Existenzrecht” Israels voraus und sind möglicherweise der Grund für die fehlende Argumentation und Referenz dieses proklamierten Rechts.
Resolution 181 (II) der UN Generalversammlung über die Zukünftige Regierung Palästinas ist ein weiteres Dokument das in Diskussionen als Grundlage des “Existenzrechts” Israels angeführt wird. In dieser Resolution wird definiert wie der Britische Besatzer 16 (euphemistisch „Mandatsinhaber“ genannt), das besetzte (euphemistisch „mandatierte“) Gebiet aufzuteilen hat. Das heisst es wird die Partition (Einteilung bzw. Zerlegung) der Region beschrieben. Das „Existenzrecht“ des Staates Israel wird nicht thematisiert.

Teilungsplan Palästinas mit Wirtschaftsunion – Resolution 181 (II) der UN Generalversammlung über die Zukünftige Regierung Palästinas.
Eine andere Argumentationslinie für das “Existenzrecht” Israels basiert auf der Idee das “Juden ein Land brauchen, weil sie eine Nation sind, deren Aufgabe es ist, die göttliche Gegenwart in den gemeinsamen Räumen unseres kollektiven Lebens auf die Erde zu bringen,” 17 und somit einem “göttlichen Plan” folgen. Dieses „biblische Existenzrecht“ wird oftmals als auffordernde Frage an Juden, Christen, und Muslime wie folgt postuliert:
“Wenn ihr an den Gott Abrahams glaubt, dann gewähre den Kindern Abrahams ein Recht auf das Land, das der Gott, an den ihr glaubt, ihnen versprochen hat und in das sie nach dem Exil zurückkehren würden.” 17
Eine Berufung auf biblische Rechte ist jedoch inkohärent, da im Rechtskontext der Begriff „biblische Rechte“ keine direkte Rechtswirkung hat. Zwar können die Bibel und religiöse Texte moralische und ethische Rahmenbedingungen beeinflussen, so gelten diese nicht als Quelle einklagbarer Rechtsansprüche. 18 Dies liegt unter anderem daran dass der Staat Österreich sich auf bestimmte Grundrechte und Prinzipien im Bezug auf Religionsausübung, wie zum Beispiel dem Prinzip der Säkularität, das heißt der Staat hat ausschließlich weltlich-irdische Aufgaben und Ziele, so wie dem Prinzip der religiösen Neutralität, was wiederum bedeutet dass die “österreichische Rechtsordnung religiös neutral ist und sich mit keiner bestimmten Kirche oder Religionsgesellschaft identifiziert,” beruft.

Grundrechte in Bezug auf Religionsausübung — Prinzip der religiösen Neutralität und das Prinzip der Säkularität.
Die Suche nach dem Ursprung des Begriffs „Existenzrecht“ Israels führt in die 1970er Jahre. Als Jimmy Carter 1977 sein US Präsidentschaftsamt antrat, hatte er den ehrgeizigen Plan, einen umfassenden arabisch-israelischen Friedensprozess voranzutreiben, der den Palästinensern einen Staat und ihre Rechte garantieren sollte. In den darauf folgenden drei Jahren scheiterte dieser Prozess jedoch. Der erste Rückschlag kam vier Monate nach Carters Amtsantritt. Zum ersten Mal übergaben die israelischen Wähler nämlich die Kontrolle über die Knesset an eine rechtsgerichtete Regierung unter der Führung des neuen Premierministers Menachim Begin. Begin verfolgte im “Friedensprozess” eine harte Linie, und seine Weigerung, Zugeständnisse zu machen, erschwerte den Abschluss eines regionalen Abkommens. 19 Israel weigerte sich nicht nur Zugeständnisse zu machen, um eine diplomatische Lösung zu verhindern, sah man sich gezwungen den Einsatz zu erhöhen, in dem Israel die Anerkennung seines „Existenzrechts“ zur Bedingung machte. Dieses „Existenzrecht“ ist jedoch eine Erfindung der amerikanisch-israelischen Propaganda 20 unter Berufung auf den Wortlaut von UN Resolution 242, insbesondere auf die folgende Klausel: 20
“Beendigung jeder Geltendmachung des Kriegszustands beziehungsweise jedes Kriegszustands sowie Achtung und Anerkennung der Souveränität, territorialen Unversehrtheit und politischen Unabhängigkeit eines jeden Staates in der Region und seines Rechts, innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Androhungen oder Akten der Gewalt in Frieden zu leben;” 21

Der Ursprung der Erfindung des Begriffs „Existenzrecht“ Israels der amerikanisch-israelischen Propaganda liegt in UN-Resolution 242 und dem dort kolportieren Recht Israels ‘innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Androhungen oder Akten der Gewalt in Frieden zu leben’.
Israel unterstützte Anfangs diese Resolution, weil sie die arabischen Staaten aufforderte, Israels Recht anzuerkennen, „innerhalb sicherer und anerkannter Grenzen frei von Drohungen und Gewaltakten in Frieden zu leben“. Alle arabischen Staaten akzeptierten dies schließlich. Ägypten und Jordanien akzeptierten die Resolution von Anfang an, weil sie Israel zum Rückzug aus den im Konflikt besetzten Gebieten aufforderte. Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) lehnte die Resolution bis 1988 ab, da sie keine expliziten Bezugnahmen auf die Palästinenser enthielt. Die USA und Israel verstanden natürlich, dass es keinen Grund gibt, warum die Palästinenser die Legitimität ihrer Enteignung anerkennen sollten. 20 Obwohl sie nie vollständig umgesetzt wurde, bildete sie bis zum Camp-David-Abkommen die Grundlage diplomatischer Bemühungen zur Beilegung der arabisch-israelischen Konflikte.
Dieser Umstand wird, etwas verschleiert, auch beim deutschen Eintrag auf Wikipedia zum „Existenzrecht Israels“ bestätigt:
“Nur zu diesem einen Staat [(Israel)] entstand jedoch in den 1970er Jahren der feststehende Ausdruck „Existenzrecht Israels“, weil dieses von Beginn an besonders oft und nachhaltig in Frage gestellt wurde.” — Wikipedia Stand Jun.2, 2025
Man beachte dass hier lediglich vom entstehen eines “feststehenden Ausdrucks «Existenzrecht Israels»” die Rede ist.

Der „Existenzrecht Israels“ Wikipedia Eintrag bezieht sich lediglich auf das Entstehen eines ‘feststehenden Ausdrucks «Existenzrecht Israels»’.
Kein Staat hat ein Existenzrecht, noch wird einem Staat ein solches Recht zuerkannt, noch sollte es ihm zuerkannt werden. Mexiko erkennt die Vereinigten Staaten zwar an, nicht aber deren „Existenzrecht“ auf der Hälfte seines Landes, das in einem Angriffskrieg erobert wurde. 22 Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) und die Bundesrepublik Deutschland (BRD) hatten ebenfalls kein “Existenzrecht” und niemand würde auf die Idee kommen die Wiedervereinigung Deutschlands aufgrund dessen in Frage zu stellen. Die Existenz der Tschechoslowakei ist ebenfalls im Jahr 1992 beendet worden; wiederum lässt sich kein Hinweis auf die Verletzung des “Existenzrechts” der Tschechoslowakei in diesem Zusammenhang finden.
Hinsichtlich der Lage in Österreich sei in Anlehnung auf die deutsche „Staatsräson“ somit darauf Hingewiesen, dass der Begriff „Existenzrecht Israels“ kein Terminus des österreichischen Rechts ist, sondern vielmehr ein politisches Leitprinzip beschreibt, welches weder Rechte noch Pflichten begründet. Es hat jedoch in Rechtsnormen Ausdruck gefunden, die antisemitische Handlungen verbieten und insbesondere nach dem 7.Oktober 2023 in der österreichischen Öffentlichkeit wieder an Aktualität gewonnen, da sich das “politische Österreich” wieder vermehrt zur Existenz und Sicherheit Israels bekennt.
Rhetorische Frage:
Können Verstöße gegen ein kolportiertes Recht, das weder im Völkerrecht, noch im Terminus des österreichischen Rechts verankert ist, als Grundlage für die Absage von Versammlungen herangezogen werden? Oder handelt es sich hier um einen Verstoß gegen die Versammlungsfreiheit, ein Grundrecht?
References
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Moncef Khane, No state has an inherent ‘right to exist’, not even Israel, Al Jazeera, Nov.5, 2024. ↩︎
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Hostilities in the Gaza Strip and Israel | Flash Update #11, UNOCHA, Oct.17, 2023. ↩︎
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Entschließungsanträge im Nationalrat, Österreichisches Parlament, retrieved May.15, 2025. ↩︎
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Bernadette Zaydan, Does Israel have a right to exist? The impact of Statehood, Pearls and Irritations — John Menadue’s Public Policy Journal , Dec.22, 2024. ↩︎
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Amos Goldberg: »Es geht heute nicht um Israels ›Existenzrecht‹«, nd—Journalismus von Links, May.23, 2025. ↩︎
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Aurelius Freytag, Antizionismus — Antisemitismus im Schafspelz?, Im Auftrag des Präsidenten des Nationalrates, 2019. ↩︎
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Guterres urges Security Council to act over Israel-Palestine crisis as threat to international peace and security, UN, retrieved May.26, 2025. ↩︎
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Toi Staff, FM Katz: Under Guterres, UN has become ‘antisemitic, anti-Israel body’ that ’emboldens terror’, The Times of Israel, Mar.23, 2024. ↩︎
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B.Michael, Israel Is Bringing Its State Terrorism From Gaza and the West Bank to Lebanon, Haaretz, Sep.24, 2024. ↩︎
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Yehudit Karp, The Time Has Come to Admit: Israel Is an Apartheid Regime, Haaretz, Oct.11, 2021. ↩︎
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Ofer Aderet, ‘Place the Material in the Wells’: Docs Point to Israeli Army’s 1948 Biological Warfare, Haaretz, Oct.14, 2022. ↩︎
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Ian Buruma, Die Argumente für den Staat Israel bleiben gültig, DiePresse, Nov.4, 2024. ↩︎
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Benjamin Allison, How U.S. Failures in the 1970s Contributed to the Israel-Hamas War, Time, Nov.17, 2023. ↩︎
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Philip Weiss, Chomsky on Israel’s ‘Right to Exist’, Mondoweiss, Jun.26, 2007. ↩︎
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UN Resolution 242 (1967), United Nations Security Council, Nov.22, 1967. ↩︎
-
Noam Chomsky interviewed by Brown Political Review, Brown Political Review, Nov.19, 2014. ↩︎